Das OR verlangt in Art. 959b OR für die Produktions- und für die Absatzerfolgsrechnung den separaten Ausweis des betriebsfremden Aufwands und des betriebsfremden Ertrags, ohne jedoch genauer auszuführen, was unter diesen Positionen zu verstehen ist.4 Für die Bilanz wird keine solche Unterteilung verlangt, obwohl auch dort Aktiven und Verbindlichkeiten für betriebsfremde Zwecke enthalten sein werden (im Sinne einer «Quelle» der sogenannten betriebsfremden Aufwendungen und Erträge). Es ist sehr zu vermuten, dass sich der Gesetzgeber bei der Erstellung der Auflistung auch auf Swiss GAAP FER stützte, eine gewisse Deckungsgleichheit mit Swiss GAAP FER 3 lässt sich kaum von der Hand weisen; allerdings wurden die unter Swiss GAAP FER üblichen Zwischentitel (z.B. EBIT, Bruttogewinn usw.) nicht ins OR übernommen, dürfen aber dort auf freiwilliger Basis verwendet werden.
In Anlehnung an Swiss GAAP FER 3 Ziff. 18 (FER 3/18) können deshalb, in Auslegung des Obligationenrechts, diejenigen Geschäftsvorfälle als betriebsfremd bezeichnet werden, welche sich von der «gewöhnlichen Geschäftstätigkeit» des Unternehmens abgrenzen lassen. Es darf sich nach dieser Differenzierung aber nicht um «selten auftretende» Ereignisse handeln, sondern um solche, die mit einer gewissen Regelmässigkeit immer wieder auftreten und demzufolge nicht ausserordentlicher / einmaliger / periodenfremder Natur sind.
Im Gegensatz zu den ausserordentlichen, einmaligen oder periodenfremden Positionen besteht für die betriebsfremden Elemente keine explizite Pflicht zur Erläuterung im Anhang. Trotzdem wird es in der Praxis mehr wie nur zweckmässig sein, weitere Angaben dazu (im Sinne von Art. 959c Abs. 1 Ziff. 2 OR)5 im Anhang offenzulegen. Dies ergibt sich mitunter auch aufgrund der Vorgaben der Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung (GoR) in Art. 958c Abs. 1 OR, wonach die Rechnungslegung verständlich zu sein habe.6
Aus praktischer Sicht dürfte diese Abgrenzung der «gewöhnlichen» von der «aussergewöhnlichen» Geschäftstätigkeit häufig zu grösseren Bilanzierungsspielräumen führen – das Gegenteil dessen, was aus Sicht eines Regulators eigentlich wünschenswert wäre. Internationale Rechnungslegungsnormen distanzieren sich von einer solchen Unterteilung; weder die IFRS noch die EU-Rechnungslegungsrichtlinie (RL 2013/34/EU) weisen eine diesbezügliche Differenzierung auf.7 Zu empfehlen ist deshalb, eine Qualifikation von Aufwendungen und Erträgen als «betriebsfremd» sehr zurückhaltend anzuwenden, da sich letztendlich sämtliche Erträge und Aufwendungen mit geschäftsstrategischen Entscheidungen begründen lassen müssen. Im Weiteren ist darauf zu achten, dass die Begrifflichkeiten «selten» und «betriebsfremd» nicht unzweckmässig vermischt werden.
Beispiele für Ereignisse, welche zwar selten, aber trotzdem betriebstypisch sind (und deshalb nicht als betriebsfremde Ergebnisse verbucht werden dürfen), sind:8
- Messebesuch alle vier Jahre
- Alle fünf Jahre stattfindendes Betriebsfest
- Forderungsverlust auf einer wesentlichen (hohen) Forderung aus Lieferungen und Leistungen
- Anpassung bzw. Änderung einer Schätzung
Beispiele für Ereignisse, welche nicht selten, aber betriebsfremd sein können (und deshalb als betriebsfremde Ergebnisse verbucht werden dürfen), sind:
- Erträge und Aufwendungen aus der Vermietung, Verpachtung und dem Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Immobilien
- Erträge und Aufwendungen aus dem Erwerb, dem Halten und dem Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Finanzanlagen und Beteiligungen
Sehr häufig dürften auch die im Aktienrecht in der Fassung bis zum 31.12.20129 erfassten «Gewinne aus der Veräusserung von Anlagevermögen» als betriebsfremd zu beurteilen sein (Art. 663 Abs. 2 aOR). Der Kontenrahmen KMU sieht für betriebsfremde Aufwendung und Erträge keine weitergehende Unterteilung der Kontierung vor; die Konten 8000 Betriebsfremder Aufwand und 8100 Betriebsfremder Ertrag sind als Sammelkonten gedacht, könnten jedoch problemlos weiter unterteilt werden. Dies erscheint aus praktischer Sicht jedoch wenig sinnvoll; wertvoller ist die schon erwähnte Erläuterung/Offenlegung der massgeblichen Vorgänge im Anhang zur Jahresrechnung.
Auch betriebsfremder Aufwand und Ertrag müssen getrennt ausgewiesen werden («Bruttoprinzip»); der Ausweis eines betriebsfremden Ergebnisses in der Erfolgsrechnung, mit blosser Offenlegung der betriebsfremden Aufwendungen und Erträge im Anhang, ist abzulehnen.
Für alle diejenigen Unternehmen, welche auch eine Geldflussrechnung erstellen, ist es zentral zu verstehen, dass die in der Erfolgsrechnung gemachte Unterteilung betrieblich / nicht betrieblich / ausserordentlich usw. ein auf diesen Teil der Jahresrechnung beschränkter Vorgang ist. Es wäre in einem OR-Abschluss sehr unüblich (formell aber nicht verboten), den Geldfluss aus Geschäftstätigkeit in drei Teilbereiche aufzuteilen. Nach Swiss GAAP FER 4 oder IAS 7 wäre dies als nicht zulässig zu betrachten. Dass die sprachliche Bezeichnung «… aus Geschäftstätigkeit» (englisch operating activities) etwas ganz anderes suggeriert, führt in der Anwendungspraxis regelmässig zu Diskussionen.