Sogenannte Retrozessionszahlungen werden üblicherweise im Rahmen des nachfolgend umschriebenen Konstrukts1 ausgerichtet:
Ein Kunde deponiert sein Vermögen bei einer depotführenden Bank. Er will dieses Vermögen aber nicht selbst verwalten, sondern mandatiert einen von der Bank unabhängigen Vermögensverwalter. Damit dieser über das zu verwaltende Vermögen verfügen kann, wird ihm eine Verwaltungsvollmacht eingeräumt. Diese legitimiert ihn gegenüber der Bank und ermächtigt den Vermögensverwalter, der Bank im Rahmen der Vermögensverwaltung Kauf- und Verkaufsaufträge zu erteilen. Für diese Tätigkeit bezahlt der Kunde dem Vermögensverwalter eine Verwaltungsgebühr, die sich in der Regel nach der Höhe des zu verwaltenden Vermögens bemisst.
Für jede Verwaltungshandlung, die der Vermögensverwalter vornimmt, erhebt die Bank eine Gebühr, d.h. für einen getätigten Kaufauftrag muss eine Transaktionsgebühr (Courtage) bezahlt werden. Diese Gebühr hat der Kunde der Bank zu bezahlen. Auf diese Weise generiert die Bank Erträge. Von diesen Erträgen lässt die Bank dem Vermögensverwalter dann wieder einen Teil zufliessen. Dieser Teil wird als «Retrozession» bezeichnet, die dem Vermögensverwalter direkt von der Bank ausgerichtet wird. Die Ausrichtung solcher Retrozessionen kann nun für den Vermögensverwalter falsche Anreize setzen: Um möglichst hohe Retrozessionen von der Bank zu erhalten, kann der Vermögensverwalter sich u.U. dazu hinreissen lassen, mehr Transaktionen, als für die Verwaltung des Vermögens notwendig wären, zu tätigen. Dadurch erhöhen sich die Retrozessionszahlungen – aber auch die für den Kunden anfallenden Transaktionsgebühren. Letzteres ist nicht im Interesse des Kunden. Die Ausrichtung von Retrozessionszahlungen kann deshalb zu einem Interessenkonflikt führen.2 Der unabhängige Vermögensverwalter kann dazu geneigt sein, seine eigenen Gewinninteressen über die Interessen des Kunden zu stellen. Dies aber widerspricht der Treuepflicht gegenüber dem Kunden, welcher der unabhängige Vermögensverwalter unterliegt.