Für den Begriff angefangene Arbeiten finden sich zahlreiche Synonyme. Als solche werden nicht fakturierte Dienstleistungen oder langfristige Fertigungsaufträge auch aufgeführt. Angefangene Arbeiten können als auftragsbezogene Arbeiten definiert werden, welche dem Kunden noch nicht in Rechnung gestellt wurden.1 Einzig Art. 959a Abs. 1 lit. d OR sagt aus, dass Vorräte und nicht fakturierte Dienstleistungen nach der Mindestgliederung der Bilanz im Rechnungslegungsrecht auszuweisen sind, sofern diese vorhanden sind. Nicht fakturierte Dienstleistungen sind nach der hier vertretenen Ansicht mit den angefangenen Arbeiten gleichzusetzen.
Forderungen aus Lieferung und Leistung sind von angefangenen Arbeiten abzugrenzen, sofern ein Projekt oder Auftrag als abgeschlossen betrachtet werden kann und diese Leistung vom Kunden allgemein akzeptiert wird. Sofern es sich um Teilprojekte mit klar vereinbarten Zwischenergebnissen handelt, sind diese als Forderung aus Lieferung und Leistung zu betrachten. In den übrigen Fällen ist die Abgrenzung nicht trennscharf und nicht klar bestimmbar. Die Abgrenzung muss nach den Gesamtumständen festgelegt werden.
Angefangene Arbeiten sind nach Art. 960a Abs. 1 OR in der Erstbewertung zu Herstellungskosten zu bewerten. Zu den Herstellungskosten bei angefangenen Arbeiten müssen die Personalkosten und weitere Drittkosten aufgeführt werden, welche mit einem Projekt im Zusammenhang stehen. Allgemeine Verwaltungs- und Vertriebskosten dürfen für angefangene Arbeiten nicht einbezogen werden. Bei den Vertriebskosten können direkte Kosten, welche einen engen Bezug zu einem Projekt aufweisen, einbezogen werden. Nach Art. 960 Abs. 1 OR sind angefangene Arbeiten im Grundsatz einzeln zu bewerten. Ob eine Gruppenbewertung für angefangene Arbeiten anwendbar bzw. zulässig ist, ist im Einzelfall nach den Gesamtumständen zu klären.
Angefangene Arbeiten müssen die Ansatzkriterien von Art. 959 Abs. 2 OR erfüllen bzw. sind in der Bilanz zu führen, wenn über sie aufgrund eines vergangenen Ereignisses verfügt werden kann, sie verlässlich bewertet werden können und ein Mittelzufluss als wahrscheinlich betrachtet werden kann. Die Verfügbarkeit von angefangenen Arbeiten ist wohl in den meisten Fällen unumstritten. Vielmehr ist ihre verlässliche Bewertung stärker zu beachten. Wenn angefangene Arbeiten aufgeführt werden sollen, bedarf es einer Form der Buchführung von Projekten und angefangenen Dienstleistungen (Projektcontrolling). Hieraus sind Stundensätze, geleistete Stunden und budgetierte Stunden zu bestimmen. Aufgrund des Stetigkeitsprinzips sollte ausserdem die Struktur über die Jahre möglichst unverändert belassen werden, ausser eine Veränderung führt zu verlässlicheren Herstellungskosten. Der erwartete Mittelzufluss ist im Einzelfall zu prüfen. In der Regel sollte jedoch eine Auftragsbestätigung oder eine langfristige Kundenbeziehung vorliegen, welche als Indiz verwendet werden kann, dass der Mittelzufluss als wahrscheinlich betrachtet werden kann. Der erwartete Mittelzufluss muss als sehr wahrscheinlich eingestuft sein, um dem Vorsichtsprinzip nach dem Rechnungslegungsrecht gerecht zu werden.