Der Geschäfts- und Rechtsverkehr wird immer komplexer. Darum ist es vor allem bei anspruchsvollen Nachlasssituationen sinnvoll, dass Erblasser in einer letztwilligen Verfügung einen Willensvollstrecker ernennen. Ein fachkundiger Willensvollstrecker ist selbst dann wertvoll, wenn die Verhältnisse vergleichsweise einfach sind, also wenn ein Erblasser zum Beispiel einen Ehegatten und gemeinsame Nachkommen hinterlässt und zum Nachlass ein Eigenheim gehört, das mit einer Hypothek belastet ist. Viele Erben sind froh, wenn ihnen ein Willensvollstrecker die steuerlichen und rechtlichen Aufgaben abnimmt, die mit dem Erbgang verbunden sind, und sie mehr oder weniger umfassend unterstützt und berät. Das gilt erst recht für Kantone ohne Teilungsämter wie Zürich. Hier sind die Dienste eines Willensvollstreckers besonders wertvoll, angefangen beim Willensvollstreckerzeugnis: Es stellt sicher, dass die Erbengemeinschaft bzw. der Willensvollstrecker jederzeit handlungsfähig ist.
Denn Erbengemeinschaften sind Zwangsgemeinschaften: Bis zum Vollzug der Erbteilung müssen sie jeden Beschluss einstimmig fassen (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Das kann zu Komplikationen führen, vor allem wenn die Erben weit entfernt voneinander leben, gesundheitlich beeinträchtigt oder zerstritten sind. Auch dann gilt es, das Vermögen zu verwalten, Mobiliar oder den ganzen Haushalt zu liquidieren, Verträge anzupassen, abzuschliessen oder zu kündigen. Für Transaktionen, die über das Bezahlen der üblichen Kosten bei einem Todesfall hinausgehen, müssen sich die Erben gegenüber der Bank legitimieren. Dazu benötigen sie einen Erbschein, den sie erst beschaffen müssen.
Wer ein Testament findet, muss es sofort der zuständigen Behörde einreichen, die es innert Monatsfrist eröffnet. 30 Tage nach der Zustellung an alle Beteiligten stellt die Behörde auf Verlangen der Erben einen Erbschein aus (Art. 556, 557 und 559 Abs. 1 ZGB). Im Idealfall dauert es also maximal 60 Tage, bis die Erben gemeinsam über die Erbschaft verfügen können. In der Praxis zieht sich die Testamentseröffnung allerdings häufig über mehrere Wochen oder gar Monate hin, vor allem wenn einzelne Erben nicht auffindbar sind. Ein Willensvollstrecker kann hingegen spätestens 14 Tage nach der Einlieferung des Testaments über die Erbschaft verfügen.
Als Willensvollstrecker kommen juristische oder natürliche Personen wie Familienangehörige, Anwälte oder Steuerberater in Frage. Die Wahl einer natürlichen Person ist mit gewichtigen Risiken verbunden: Der Willensvollstrecker kann arbeits- und / oder handlungsunfähig werden, er kann vor dem Erblasser sterben oder er will das Amt gar nicht übernehmen. Das Amt des Willensvollstreckers ist höchst persönlich und damit weder übertragbar noch vererblich.2 Wenn geeignete Ersatzverfügungen im Testament fehlen, kann die Ernennung des Willensvollstreckers bedeutungslos werden. Nicht zuletzt deswegen fällt die Wahl immer häufiger auf juristische Personen wie Banken, Treuhandgesellschaften oder Anwaltskanzleien. Verhinderungsgründe sind damit praktisch ausgeschlossen, die juristische Person ist stets präsent und permanent handlungsfähig; meistens über mehrere Generationen hinweg. Die Hausbank oder der Treuhänder sind mit den vermögensrechtlichen Verhältnissen des Erblassers vertraut und kennen oft auch seine familiäre Situation.3
Eine Willensvollstreckung ist mit zahlreichen Haftungsrisiken verbunden, und es stellen sich mehrere Fragen zur Verantwortlichkeit des Willensvollstreckers. Die primäre Haftung des Willensvollstreckers gegenüber Erben, Vermächtnisnehmern und Nachlassgläubigern ist keine vertragliche, sondern eine vertragsähnliche.4 Die Rechtsgrundlage bilden Art. 518 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR analog i.V.m. Art. 97 ff. OR.5 Es ist längst gängige Praxis, dass insbesondere professionelle Willensvollstrecker gewisse Teilbereiche ihrer Mandatsführung durch Hilfspersonen und teilweise auch Unterbeauftragte (Substitute) ausführen lassen. Von den haftungsrechtlichen Konsequenzen, die sich für den Willensvollstrecker daraus ergeben, handelt dieser Beitrag.