Die Prüfungsstandards (PS 315, Beurteilung der Risiken und Verstehen der Einheit) verlangen für die Vorbereitung von Abschlussprüfungen (ordentliche und eingeschränkte Revisionen), dass der Abschlussprüfer ein Verständnis des Unternehmens und des Umfelds erarbeitet. Hierzu zählen das interne Kontrollsystem, die Risiken wesentlicher Falschdarstellungen und mögliche Reaktionen hierzu. In diesem Zusammenhang kann die Existenz von Risk-Management-Ansätzen von Interesse sein, die in die Planung der Abschlussprüfung einbezogen werden können, um ein besseres Verständnis über das Unternehmen und mögliche Risiken für eine Fehlaussage zu erarbeiten.
Die Verbreitung von Risk-Management-Ansätzen divergiert in der Industrie stark. Viele kleine und mittlere Industrieunternehmen in der Schweiz wähnen sich in trügerischer Sicherheit. Sie erfüllen die gesetzlichen und branchenspezifischen Grundlagen zum Thema Risikomanagement, vergessen aber, dass ein umfassendes und unternehmensweites Risikomanagement nicht nur die Sicherung der Unternehmensziele garantiert, sondern damit auch die Erhöhung des Unternehmenswerts möglich wird. Eine Masterthesis an der Fachhochschule St. Gallen kommt zu dem Schluss, dass der Nutzen eines adäquaten Risikomanagements in der Praxis vielfach unterschätzt wird und lediglich dazu dient, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.1
Das wirtschaftliche Umfeld in der Schweiz befindet sich gerade in den letzten Monaten wieder sehr stark im Wandel. Mit dem Wegfall der Eurountergrenze oder der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wurde vielen Industrieunternehmen in der Schweiz wieder einmal vor Augen geführt, dass sie sich in einem sehr schnelllebigen und ungewissen Umfeld bewegen.2 Neben den bereits erwähnten, politisch motivierten Herausforderungen gibt es für die Industrieunternehmen auch andere, branchenspezifischere Schwierigkeiten. So entstehen beispielsweise bei grenzüberschreitenden Aktivitäten teilweise grosse Länderrisiken.Die Verkürzung der Produktlebenszyklen und die Individualisierung der Nachfrage können steigende Investitionen in Forschung und Entwicklung notwendig machen. Eine zunehmende Komplexität von Produktionssystemen kann einen negativen Einfluss auf die Störanfälligkeit haben.3 Dies sind nur einige wenige Entwicklungen, mit denen sich Industrieunternehmen in den letzten Jahren verstärkt auseinandersetzen müssen. Der Gesetzgeber hat die Problematik erkannt und bereits vor sieben Jahren darauf reagiert. Seit 2008 ist Risikomanagement deshalb für viele Schweizer Unternehmen zur gesetzlichen Pflicht geworden.4 Das schweizerische Obligationenrecht gibt nur knappe Vorschriften und Vorgaben zum Thema Risk Management. In dieser etwas schwammigen Formulierung liegt jedoch genau das Problem. Ein systematisches Risikomanagement wird nämlich gemäss mehreren Studien vielfach nicht betrieben. So hat beispielsweise eine österreichische Studie bei mittelständischen Unternehmen ergeben, dass Risikomanagement, wenn überhaupt, in den Bereichen Rechnungswesen bzw. Finanzen und Controlling betrieben wird.5